Mehr Grün, bitte!
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Das Phänomen Urban Gardening liegt im Trend und macht sich seit mehreren Jahren in unseren Städten breit. Ob reich bewachsene Fassaden, blühende Verkehrsinseln im Kreisverkehr oder Selbsterntegärten – das organische Grün ist präsenter denn je, prägt in seinen zahlreichen Formen die Stadtgestaltung und unser Lebensgefühl. Es vereint politische und gesellschaftliche Konzepte mit Nachhaltigkeit, führt passionierte Hobby-Gärtnerinnen und -Gärtner und Design-affine Social-Media-Influencers zusammen. Urbanes Gärtnern schafft Gemeinsamkeit, fördert Umweltbewusstsein und sieht auch noch schön aus. Doch, woher kommt eigentlich der Trend zum Grün?
Früher einmal Notwendigkeit, ist das Anbauen von Nutzpflanzen und Lebensmitteln mittlerweile auch hierzulande zu einem beliebten Hobby geworden. Der Wunsch, den eigenen Lebensraum mitzugestalten, ist bei uns Menschen gross. Selbstwirksamkeit und Individualität und der damit verbundene Ausdruck unserer Identität sind – speziell in der Schweiz – stark verankert. Durch urbanes Gärtnern können wir Einfluss nehmen, einen persönlichen Rückzugsort, eine Oase oder soziale Treffpunkte schaffen. Sogar eine unabhängige Selbstversorgung kann man sich aufbauen. Dabei gilt es, diese Träume gesellschaftskonform zu realisieren. Im Buch «Mensch und Lebensraum» (1997) legt ETH-Professor Dr. Dieter Steiner die Wichtigkeit der «Zwei-Ebenen-Ökologie» dar. Dabei betont er, wie bedeutsam das Zusammenspiel der verschiedenen Instanzen einer Gesellschaft ist. So ist es zum Beispiel massgeblich, dass die Stadtverwaltung bei der Lebensraumgestaltung Hand in Hand mit den Bewohnerinnen und Bewohnern arbeitet. Nur so kann das Expertenwissen maximal genutzt werden.
Es gibt viel zu lernen über den Trend, der zum Wandel des eigenen Lebensstils inspiriert und Klein und Gross begeistert. Nachfolgend stellen wir einige Projekte aus der Urban-Gardening-Bewegung vor, wobei wir auch einige Stimmen vertont haben: Expertinnen und Experten erzählen, was Urban Gardening für sie bedeutet und worauf es dabei wirklich ankommt. Warum tut uns das Grün so gut? Wie viel Energie sparen senkrechte Wiesen denn wirklich ein? Und können wir eigentlich alle unser Essen auf dem Stadtbalkon anbauen? Diesen Fragen wollen wir auf den Grund gehen.
Hauptsache, schön? Von wegen!
Fünf Gründe, weshalb uns die Pflanzen in der Stadt so guttun.
Urbanes Gärtnern in der Schweiz
Kunst im Merkurgarten Zürich
Einer der ältesten urbanen Gärten in Zürich ist der Merkurgarten. Die Initiative fand ihren Ursprung vor zwanzig Jahren in einem brachgelegten Beet auf der Kreuzbühlwiese. Einige Gartenbegeisterte der Nachbarschaft schlossen sich zusammen und setzten viel in Bewegung, um dieses wieder in einen blühenden Kräutergarten zu verwandeln. Dabei wurde auch die Stadtverwaltung einbezogen, wie Mitgründer Thomas Dimov erzählt:
Geschäftsführer des Vereins in_between_culture, Gründer des Merkurgartens
Mittlerweile im Seeburgpark zu Hause, können Gärtnerinnen und Gärtner hier Brachflächen nachhaltig bebauen und dabei Teil einer Gemeinschaft werden, die auch über das Gärtnern hinaus soziokulturelle Projekte realisiert. Dabei hat auch die Selbstbestimmung, welche durch die Gestaltung des eigenen Lebensraums gefördert wird, einen hohen Stellenwert im Merkurgarten, wie Thomas Dimov erklärt:
Der Merkurgarten will Kulturen vereinen und versteht sich als offene, neugierige Gemeinschaft. So werden im und rund ums bewirtschaftete Gartenbeet Konzerte und Lesungen abgehalten, es gibt Informationsanlässe und Diskussionsrunden. Zudem dürfen Kunstschaffende regelmässig Projekte auf dem Grundstück realisieren, wie zum Beispiel die Reihe «Kulturpflanzen» der Zürcher Künstlerin Séra Hanga. Besonders die künstlerische Auseinandersetzung und das Einbinden des Ortes sind dabei zentral. Thomas Dimov dazu:
Wandergärten und schwebende Gemüsebeete in Bern
Bereits im 12. Jahrhundert baute die Berner Bevölkerung an den terrassierten Aarehängen ihr eigenes Gemüse an. Urban Gardening hat hier also sozusagen Tradition. Ganz getreu dem Motto «Gärtnern kann man überall» ermutigt die Stadt Bern ihre Bewohnerinnen und Bewohner, geeignete Standorte im öffentlichen Raum vorzuschlagen. In der Folge berät sie bei der ökologischen Gestaltung und legt dabei besonderes Augenmerk auf die Biodiversität.
Urbanes Gärtnern nimmt in der Schweizer Hauptstadt besonders vielfältige Formen an; so kann man im Trampdepot zu einem Aare-Bier ein Gericht geniessen, dessen Zutaten auf der Restaurant-eigenen Brachfläche liebevoll herangezogen wurden. Köstlich. Aber auch mobile Urban-Gardening-Projekte wie das «WanderWEGeli», ein Projekt der Schulklasse 3a der Muessmatt, werden gefördert. In bunten Einkaufswagen wurde nicht nur bepflanzt, sondern auch noch gleich recycelt. Alte Petflaschen und Turnschuhe sind zu originellen Anhängebeeten geworden. Und das Beste: Der Garten kann nicht nur der Sonne «nachwandern», sondern über die Sommerferien zur Pflege nach Hause gerollt werden, wo sich jede Schülerin und jeder Schüler selbst drum kümmert. Inspiriert?
Ein Netzwerk mit grosser Reichweite - Urban Agriculture Basel
Auch in Basel wurden viele Urban-Gardening-Projekte ins Leben gerufen: Soziokulturelle Initiativen, Gärten zur Selbstversorgung und die Sensibilisierung der Menschen für die Begegnung mit der Natur prägen das heutige Stadtbild. Der Verein Urban Agriculture Basel betreibt eine Vielzahl von Gemeinschaftsgärten. Über die Jahre wurde hier ein Netzwerk aufgebaut, dessen Vielfältigkeit beeindruckt: von Selbstversorgung und Gemeinschaftsgärten als Ort der Begegnung über Wissensvermittlung in Lerngärten bis hin zu Foodsharing – Urban Agriculture Basel hat den urbanen Gärtnerinnen und Gärtnern viel zu bieten. Bastiaan Frich, Mitgründer und Geschäftsleiter von Urban Agriculture Basel, erklärt, was dem Verein am Herzen liegt.
Social Entrepreneur, Biologe und Gärtner
www.frich.ch
©Friedel Amman
Eines der Ziele von Urban Agriculture Basel ist, ungenutzte Flächen in der Stadt in Beete umzuwandeln und den knappen Platz im wachsenden Stadtgefüge, wo immer möglich, für nachhaltige Begrünung zu nutzen. So hat sich zum Beispiel die ehemalige Asphaltlandschaft beim Landhofgarten vor dem alten Fussballstadion zu einer Naturoase gewandelt, wo die Basler nun in sorgfältig angelegten Beeten Gemüse anpflanzen und wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen.
Urban Agriculture Basel investiert ausserdem besonders viel Zeit in den Aufbau der Community und die Vernetzung der verschiedenen Initiativen. Bastiaan Frich erzählt:
Mit dem Projekt «2000 m2 Weltacker Schweiz» hat Urban Agriculture Basel eine interaktive Erlebniswelt für Kinder und Erwachsene geschaffen, wo die Komplexität der Auswirkungen unserer Lebensmittelerzeugung nicht nur verbal, sondern auch praktisch vermittelt werden. Dazu Bastiaan Frich:
Neugarten Luzern
Der Verein Neugarten Luzern produziert mithilfe von Garten-Begeisterten lokale Produkte und lässt dabei Kreativität walten. Der bewusste Konsum und der Bezug zur Herkunft der Produkte stehen dabei im Zentrum – wer in einer engagierten Gruppe beim Anbau der Rohstoffe helfen und dabei etwas lernen möchte, ist hier goldrichtig. In der vielfältigen Vortragsreihe des Vereins nehmen die eingeladenen Expertinnen und Experten kein Blatt vor den Mund. Sie vermitteln Wissen aus der Botanik und Agrarproduktion, aber auch aus den Bereichen Digitalisierung, Publizistik, Sprachwissenschaft und Ethnik. So lernt man gleichermassen etwas über die Gefahr von Pestiziden wie über den Effekt von digitaler Transparenz, macht sich vertraut mit Kryptowährung und findet einen neuen Zugang zu den Prinzipien der Permakultur. Foodwaste ist dem im luzernischen Neubad beheimateten Verein ein Dorn im Auge. Deshalb hat er die Initiative «Food Save Luzern» ins Leben gerufen. Diese sammelt stadtweit Nahrungsmittel ein, welche nicht mehr verkauft werden können, und stellt sie gratis allen zur Verfügung. Win-win.
Allround Wissensvermittlung und saisonale Blumen zum Verschenken bei Veg and the City
Veg and the City ist ein junges Zürcher Unternehmen, das alles anbietet, was man fürs urbane Gärtnern braucht. In seinen Läden in Winterthur und Zürich findet man rustikale und moderne Töpfe, Bio-Setzlinge, nachhaltige Bewässerungssysteme, Nützlinge und Kompostwürmer – und wird dabei ausführlich von Fachpersonen beraten. Alles, von Erde bis hin zum Pflanzenschutzmittel ist biologisch. Man kann an Teamevents teilnehmen, Gartenkurse belegen und findet im Gartenblog immer wieder neue Ideen.
Veg and the City bietet unter anderem auch «Schüler-und-Schülerinnen-Gärtnern» an. Die Wissensvermittlung an die nächste Generation hat einen hohen Stellenwert. Gärtner Michael Schallschmidt gewährt einen Einblick darüber, was bei Veg and the City im Fokus steht.
Urban Gardener bei Veg and the City
Ein vielfältiges Team mit Fachleuten aus dem Gartenbau und der Landschaftsarchitektur steht mit Rat und Tat zur Seite. Besonders die Beratung bezüglich des Standorts einer Pflanze ist wichtig und kann über Erfolg oder Misserfolg entscheiden. Michael Schallschmidt mit einer kurzen Übersicht:
Ich will gärtnern ‒ was nun? Urban Roots macht’s vor.
Urban Roots ist alles, was wissbegierige Gartenneulinge suchen – eine Initiative, die den Einstieg so leicht macht, dass man sich fragt, wieso man je an seinem grünen Daumen gezweifelt hat. Simpel, persönlich und inspirierend macht das Jungunternehmen Lust auf mehr. Gut also, kann man mit ihren biologischen Saatgut-Abonnements sofort loslegen, gewappnet mit einfach verständlichen und doch ausführlichen Anleitungen und Hintergrundinformationen zum Saatgut und dessen Bewirtschaftung. Anfangs stark Social-Media-basiert, hat Urban Roots heute on- wie offline eine interaktive Community, die mitfiebert. Posts werden geteilt, es wird rege diskutiert, Erfolge werden gemeinsam genossen, neue Fragen aufgeworfen und beantwortet. Ausserdem dokumentiert die Initiative Urban Roots auch selbst die Wachstumsfortschritte jeder Pflanzensorte, die sie vertreibt, in einem ansprechenden Video. So geht learning by doing noch einfacher. Vom Planen der Bepflanzung von Balkons oder öffentlichen Räumen über Workshops, zu Regrowing-Tips und flexibler Beratung: Urban Roots got your back!
Wir haben mit Gründerin Scarlet über krumme Gurken und die Wichtigkeit des Ursprungs gesprochen. Sie verrät, worauf es beim Begrünen am meisten ankommt.
Top Tipps für Urban Gardening
Zum Abschluss verraten uns die erfahrenen Gärtnerinnen und Gärtner der schweizerischen Urban-Gardening-Bewegung ihre Top Tipps für einen gelungenen Einstieg ins städtische Begrünen:
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