Leben ohne Plastik: Ja – aber wie?

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Als Einwegverpackung im Supermarkt, als Microbeads in unserer Zahnpasta, als Fasern des neuen Fleece-Pullovers – Plastik ist unser ständiger Begleiter. Doch die Herstellung des vielseitig einsetzbaren Kunststoffs hat einen Preis, den wir schon lange nicht mehr rechtfertigen können.

Steinzeit, Bronzezeit, Eisenzeit … Plastikzeit? Seit 1862 haben Kunststoffe unsere Welt verändert. Plastik ist ein Alleskönner, treibt industrielles Innovationspotenzial, technische Entwicklungen und Alltagskomfort zugleich voran und ist aus vielen Lebensbereichen nicht mehr wegzudenken. Der grösste Vorteil des Materials, seine Langlebigkeit, ist gleichzeitig der grösste Nachteil. Das Material ist schwer bis gar nicht abbaubar. Wir diskutieren die Konsequenzen, prüfen sinnvolles und weniger sinnvolles Recycling und zeigen dir in einfach umsetzbaren Schritten, was du tun kannst, um deinen eigenen Plastikkonsum zu reduzieren.

Life in plastic, it’s fantastic?

Anders als für die Protagonistin des dänischen Ohrwurms «Barbie Girl» ist «a life in plastic» mehr schlecht als recht für uns und unseren Planeten.

Die Frage, die sich aufdrängt: Wieso verwenden wir Kunststoffe trotzdem immer noch en masse?
Antwort: Die Polymer-Werkstoffe sind unbestreitbar praktisch. Flexibel und widerstandsfähig sind sie z. B. ideale Isolierstoffe. Einfach formbar sind sie in der Medizin lebenswichtig und ermöglichen in Form von Spritzen, Schläuchen oder künstlichen Gelenken eine fortschrittliche Gesundheitsversorgung. Das stabilisierende Kunststoffelement eines Autos spart gegenüber dem gleichen Bauteil aus Stahl 40 Prozent an Gewicht ein. Und leichtere Fahrzeuge führen wiederum zu weniger Abgasen, oder? Das Paradox ist der Versuch abzuwägen, welche der beiden Auswirkungen auf Zeit das kleinere Übel ist.

Komfort versus nicht abbaubarer Werkstoff

Die Frage nach der Ressourcen-Effizienz und dem ökologischen Fussabdruck, den wir täglich produzieren, ist eine komplexe Mischrechnung. Fakt ist jedoch, dass der temporäre Komfort einer simplen Plastikverpackung, z. B. eines Take-Away-Sandwichs, fundamentale Auswirkungen auf unseren Lebensraum hat. Die Kunststoffe können Jahrhunderte bestehen bleiben und reichern sich in der Umwelt an. Sie enden in unseren Böden und Gewässern, in der Luft und schlussendlich im Verdauungstrakt von grossen und kleinen Lebewesen (Mensch inklusive).

Wohin geht der Plastik?

Aktuell steigt der Verbrauch von Kunststoffen, die Verwertung ist komplex, die Entsorgung aufwändig. In ärmeren Ländern ist sie oft gänzlich unmöglich, weil die Infrastruktur zum Sammeln, Trennen und Verarbeiten fehlt. 3 Milliarden Menschen haben keinen Zugang zu kontrollierter Müllentsorgung (ISWA) – der Plastik landet in der Umwelt.

Laut WWF beläuft sich der Eintrag von Plastikmüll in unsere Meere auf bis zu 12,7 Millionen t pro Jahr. Das entspricht einer Lastwagenladung pro Minute. Meeressäuger und Seevögel zahlen den Preis dafür. Sie verheddern sich in Tüten und Fischereimüll, verwechseln schwimmenden Plastik mit Nahrung und verhungern aufgrund des falschen Sättigungsgefühls. Kleinste Plastikteile schädigen den Verdauungstrakt der Tiere durch giftige Additive.

Die Ansammlung von Mikroplastik in der Nahrungskette ist eine Gefahr für die Lebensmittelsicherheit.

Aber auch Länder mit «guten» Entsorgungssystemen wie die Schweiz oder Deutschland tragen via Produktion von Mikroplastik, Export von Plastik in Drittstaaten, Mülldeponien und deren toxische Verbrennungsabgase zur Umweltverschmutzung bei.

Wir essen Mikroplastik

Mikroplastik entsteht durch die langsame Zersetzung grösserer Plastikteile, aber auch durch den Abrieb von Reifen, durch Faserteile, welche beim Waschen von synthetischen Textilien freigesetzt werden (Kläranlagen können dies nur teilweise filtern), und die Herstellung von Kosmetika sowie Putzmitteln (WWF). Not-so-fun-fact: Die kleinen Teilchen sind auch in den meisten herkömmlichen Zahnpastas vorhanden. Ja, du hast richtig gehört – wir schrubben uns die Zähne mit sogenannten Microbeads, Mikroplastik-Teilchen, welche für einen Peeling-Effekt beigemengt werden.

Wir essen Mikroplastik, beispielsweise durch Zahnpasta

Aus den Augen, aus dem Sinn?

Und was ist mit dem Plastik, den wir «korrekt entsorgen»? Zur Recyclingthematik kommen wir gleich. Zuerst aber zur Realität der Plastikverbrennung – alles andere als eine «saubere Sache». Bis vor Kurzem exportierte die Schweiz 60'000 t Kunststoffmüll pro Jahr nach Deutschland, einen der grössten Exporteure von «Problemplastik» nach Asien. Unser Plastikmüll landete also auf Deponien, z. B. in Malaysia, wo er unkontrolliert, ungefiltert verbrannt wurde. Wo ist dabei die Eigenverantwortung geblieben? Ein Lichtblick: Seit dem 1. Januar 2021 gelten verschärfte Regelungen für den Export von Kunststoffabfällen aus der EU. Nun dürfen nur noch sortenreine Kunststoffabfälle, die leicht zu recyceln und somit wertvolle Rohstoffe sind, exportiert werden. Da die Importeure dafür Geld bezahlen, gibt es weitaus weniger Risiko für eine unsachgemässe Entsorgung in der Umwelt.

Etliche Studien, z. B. der «Recycling Mythos Report» von Greenpeace, zeigen auf, dass durch Plastikverbrennung toxische, zum Teil krebserregende Schadstoffe freigesetzt werden und hochbelasteter Staub sowie ebensolche Asche entstehen. Selbst hochentwickelte Verbrennungsanlagen in der Schweiz, welche Abgasgrenzwerte einhalten müssen, sind nicht in der Lage, die Schadstoffe restlos herauszufiltern, und hinterlassen Langzeitablagerungen in der direkten Umgebung. Verbrennung ist also auch nicht die Lösung.

Recycling ≠ Recycling

Wie wir bereits wissen, ist die Schweiz Spitzenreiterin im Recycling. Aber auch hier gilt es, genau hinzuschauen. Eine Studie von KuRVe zeigt die Wichtigkeit korrekter Trennung auf. So weisen etwa separate Sammlungen von PET- und Plastikflaschen eine gute Ökoeffizienz auf. Der Anteil an Rezyklat, also tatsächlich in die Industrie zurückgeführtes Material, ist bei einer selektiven Sammlung höher als bei einer Gemischtsammlung, was uns dem langfristigen, notwendigen Ziel einer Kreislaufwirtschaft näher bringt. Gemischte Kunststoffsammlungen verursachen vergleichsweise auch noch sehr hohe Kosten. Auf recycling-map.ch findest du Trenn-Recyclingstellen in deiner Nähe.

Verschiedene Recyclingketten unterscheiden sich ausserdem grundsätzlich, z. B. durch variierende Wertstoffausbeuten (47 bis 71 Prozent). Rezykliert werden ja nicht die bestehenden Artikel (z. B. Shampoo-Flaschen), sondern deren Wertstoffe (z. B. PE). Der Teil, der nicht stofflich verwertet werden kann, wird in einer KVA (Kehrichtverwertungsanlage) verbrannt. Die Entsorgung in den KVA mit sogenannter energetischer Nutzung (Produktion Strom und Wärme) ist billiger, aber umweltbelastender, weil bei der Produktion von Strom und Wärme gleichzeitig Schadstoffe, belastete Asche und Schlacke anfallen.

Die Sache mit dem Recycling ist kompliziert – klar wird aber, dass alle derzeit möglichen Verfahren unserem massenhaften Plastikverbrauch hinterherhinken. Selbst hochwertiges Recycling könnte bei unserem ständig wachsenden Konsum den Verbrauch nicht genügend verringern. Konkret gilt es also, den Plastikstrom an der Quelle zu reduzieren. Verzicht muss das Ziel sein – je weniger Plastik, desto besser.

Mini-Guide

9 einfach umsetzbare Tipps zum plastikfreie(re)n Leben.

  • Plastik on-the-go vermeiden

    Warentransport: Wiederverwendbare (Stoff-)Taschen anschaffen und dabeihaben.

    Take-Away-Essen: In eine langlebige Brotdose aus Edelstahl, Glas oder Holz investieren. Budgetfreundliche Alternative: Einweckglas.

    Trinken: Edelstahl- oder Glas-Trinkflasche immer mit dabei.

  • Essen ohne Verpackung kaufen

    Das klingt aufwändig, muss es aber nicht sein. Hier ein paar Ideen:

    • Im Supermarkt loses Gemüse, Pasta etc. in Papierverpackungen, Joghurt, Milch oder Drinks in Gläsern kaufen.
    • Frisches auf lokalen Märkten einkaufen.
    • Eigene Glas-Tupperware in die Käserei / Metzgerei mitbringen.
    • Bei Bauernhöfen Gemüseabos bestellen. So kommt das Gemüse minimal bis unverpackt direkt an deine Haustür.
      Für Abwechslung: Saisonale Bio-Körbe von Farmy.
      Für Sparfüchse: Bio-Obst-Gemüse-Körbe von Ugly Fruits.
      Für eine exotische Auswahl: «Weltweit ab Hof» von Gebana.
    • Bei Zero-Waste-Läden einkaufen. Deinen nächsten Zero-Waste-freundlichen Laden in der Schweiz findest du auf dieser Karte.
    • Zero-Waste geht auch online. Der Basler Shop Lyfa bietet nahezu alles an. Die Ware kommt konsequent in Mehrweggläsern, welche bei der nächsten Lieferung wieder mitgenommen, gereinigt und erneut benutzt werden.
    • In Deutschland gibt’s verpackungsfreien Versand z. B. bei Kornkiste.
  • Frischhaltefolie

    Stattdessen Bienenwachstücher verwenden. Die kann man kaufen oder ganz einfach selber machen. Achtung: Nur kaltes bis lauwarmes Wasser zur Reinigung verwenden.

    Budgetfreundliche Alternative: Unterschiedlich grosse Konfitüren / Einmachgläser nach Produktverbrauch aufbewahren, ausspülen und als Tupperware verwenden – sie sind abwaschmaschinentauglich und obendrein (fast) gratis.

    • Küchenutensilien

      Kochlöffel aus Holz, Backformen aus Edelstahl, Schüsseln aus Keramik / Glas: Solche Alternativprodukte anzuschaffen, ist eine kleine Investition, die sich langfristig auszahlt, da diese Produkte qualitativ hochwertig sind und ewig halten.

    • Kosmetika

      Wie im Zero-Waste-Laden (s. Punkt 2.) gibt es plastikfreie Kosmetika auch online, z. B. auf Ecco-Verde.com. Die Firma ist übrigens bereits seit 2018 Klima-neutral unterwegs – Hut ab!

      Wenn die Zeit reicht und die Neugier da ist: DIY, wie unsere Zero-Waste-Seife.

      Kannst du, z. B. aus gesundheitlichen Gründen, nicht auf ein Produkt verzichten? Schau, ob es dafür grosse Nachfüllpackungen gibt, mit denen du deine Glasbehälter füllen kannst. Das spart bis zu 75 Prozent Plastik ein.

    • Upcycling statt Neukauf

      Statt Dinge neu zu kaufen, lohnt es sich, alte oder kaputte zu reparieren, zu flicken, umzufunktionieren. So können bereits bestehende Materialien weiter genutzt werden. Ideen und Anleitungen gibt’s zuhauf – einfach mal bei einem Kaffee «DIY Upcycling» googeln. Tut auch deinem Geldbeutel gut.

    • Fast-Fashion-Cycle durchbrechen

      Es ist kein Geheimnis, dass mit der Produktion von Kleidern immense Problematiken verbunden sind. Deshalb:

      Secondhand als first choice! Lokale Brockenhäuser und Secondhand-Läden warten auf dich.

      Für Busy-Bees: Online-Secondhand erkunden, z. B. bei kleiderberg.ch

        Wenn’s halt mal was Neues braucht, dann gerne Marken kaufen, die wirklich nachhaltig, mit Rücksicht auf Umwelt-, Tier- und Menschenrechte produzieren. Z. B. re- und upcycelte Stücke bei der Schweizer Firma Rework kaufen.

      • Elektroprodukte

        Fürs neue Handy oder iPad erst mal bei Revendo nachschauen. Dort werden Elektrogeräte aufgerüstet. Inklusive Garantie und tollem Service – und sparen tust du auch noch.

      • Das Wichtigste: Einfach anfangen!

        Von heute auf morgen plastikfrei leben zu wollen, überfordert viele. Neben Arbeit, Kindern und Sonstigem übersteigt es schlichtweg unsere Kapazität im Alltag. Aber davon bitte nicht abschrecken lassen! Stattdessen einfach anfangen, mit einer Sache, die du dir diese Woche vornimmst. Sobald diese umgesetzt ist, geht’s auf zur nächsten.

        Schritt für Schritt weg vom Plastik und auf eine nachhaltige Zukunft zu.

      • Saubere Sache! Zero-Waste-Seife selber machen

        Zutaten

        250 g Kernseife (vegan, plastikfrei, palmölfrei)
        3 – 6 EL Milch oder Wasser
        1 – 2 EL Öl (z. B. Olivenöl, Kokosöl)
        1 EL Fett (z. B. Sheabutter)
        Seifen- oder Lebensmittelfarbe(n)
        Duftstoffe (z. B. Ätherische Öle wie Zitrone, Lavendel, Orange)
        Peelingstoffe (z. B. Haferkleie, grobkörniges Meersalz, Kaffeepulver)
      • Equipment

        Formen (z. B. bereits vorhandene Silikonbackformen)
        Messer
        Schalen zum Mixen
        Schöpflöffel
        einige Teelöffel
        Zahnstocher

      Seife schmelzen

      Die Kernseife zerkleinern (schneiden oder raspeln) und in einer Schale mit etwas Wasser oder Milch einweichen. Dabei darauf achten, dass die Seife komplett bedeckt ist. 

      Tipp: Bereits am Tag vorher machen und über Nacht stehen lassen.

      Sobald die Seife eingeweicht ist, die Schale in ein Wasserbad mit warmem Wasser stellen (Bain marie). Bei niedriger Temperatur auf dem Herd schmelzen, bis eine gelartige Masse entsteht (das kann ein paar Stunden dauern).

      Formen vorbereiten

      Während die Seife schmilzt, die Formen vorbereiten. Der Boden der Form wird schlussendlich zur Oberfläche der Seife – diesen mit dem gewählten Peelingmaterial (z. B. Haferkleie) oder Duftstoff-verwandten Verzierungen (z. B. Lavendelblüten oder Zitronenschale) auslegen. Auch Blumen und Kräuter können verwendet werden. Ausserdem die gewünschten Lebensmittelfarbe(n) bereitstellen (damit kann beim Abfüllen ein schöner Marmoreffekt erzeugt werden).

      Formen vorbereiten für Seifenherstellung

      Seifenbasis ergänzen und färben

      Sobald die Seife zu einer gelartigen Masse geschmolzen ist, Öl (z. B. Olivenöl), pflegende Substanzen (z. B. Sheabutter), Duftöl und Farbe beigeben und alles gut vermischen.

      Um parallel verschiedene Seifen herzustellen, einfach die Seifenbasis aufteilen und diese mit verschiedenen Duftstoffen und Farben ergänzen (z. B. einmal Zitrone (gelb), einmal Lavendel (blau) sowie eine neutrale Mischung in verschiedenen Farben). Auch Peelingstoffe könnten hier bereits beigemengt werden, jedoch empfiehlt es sich für mehr Variation und optimale Verteilung, dies erst beim Abfüllen individuell pro Form zu machen.

      Seife abfüllen

      Achtung: Die Seife muss so warm sein, dass sie gut in die Formen fliesst, hier also möglichst schnell arbeiten.

      Je nach Wunsch verschiedene Peelingstoffe hinzufügen – für eine optimale Verteilung im Seifenstück am besten Schicht für Schicht beimischen.

      Um einen Marmoreffekt zu erzielen, zwei verschiedenfarbige Seifenbasen abwechselnd Schicht für Schicht einfüllen (ideal bei grösseren Formen), dann mit einem Zahnstocher vorsichtig ineinander«quirlen», sodass Muster entstehen. Für einen oberflächlichen Marmoreffekt direkt ein paar Tropfen Farbe in die Form geben und «quirlen» (ideal bei kleineren Formen).

      Tipp: Beim «Quirlen» den Boden der Form nicht berühren, so können harte Linien im Muster vermieden werden. Ausserdem darauf achten, die Seifenmassen nicht zu verrühren, sondern nur leicht wirbelnde Bewegungen zu machen. Die Form einer Acht eignet sich besonders, um schöne Ergebnisse zu erzielen.

      Seife in Formen abfüllen und aushärten lassen

      Seifen aushärten lassen

      Die fertigen Seifen am besten erst einige Stunden im Kühlschrank, dann je nach Grösse 12 – 24 Stunden bei Raumtemperatur aushärten lassen (sie sollten sich nicht mehr klebrig anfühlen).

      Fertig!

      Seifen vorsichtig rauslösen und sich daran erfreuen. Einfach, natürlich und plastikfrei.

      Fertige Seifen auf Tisch präsentiert

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