Das Rennen des Lebens
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In der Öffentlichkeit war Maria Walliser als strahlender Skistar bekannt. Heute engagiert sich die 61-jährige Ostschweizerin mit der Stiftung Folsäure Schweiz für Prävention im Bereich pränataler Behinderungen. Ein Interview über das wahre Leben.
25 Jahre Stiftung Folsäure: Jubiläums-Interview mit Maria Walliser
Sie zählte in den 1980er-Jahren zu den erfolgreichsten und populärsten Sportlerinnen des Landes: Maria Walliser, dreifache Skiweltmeisterin, dreifache Olympiamedaillengewinnerin, zweimal Gesamtweltcupsiegerin. Bereits mit 27 Jahren verabschiedete sie sich von der Bühne des Spitzensports – und bekam verlockende Angebote weit über die Branchengrenzen hinaus. Oscar-Preisträger Arthur Cohn wollte sie nach Hollywood holen und vermittelte sie an die Lee-Strasberg-Schauspielschule.
Doch Walliser blieb sich selber treu. Sie heiratete 1991 ihre grosse Liebe – Guido Anesini, heute 70. Im selben Jahr erblickte die erste Tochter Siri das Licht der Welt – mit einem offenen Rücken (Spina bifida). Fünf Jahre später wurde Noemi geboren, die Familie war komplett. Beide Töchter sind längst aus dem Familienheim in Malans GR ausgezogen, doch war es die Geburt von Siri, die Marias Leben prägen sollte.
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Maria Walliser, seit Ihrem Rücktritt sieht man Sie nur noch selten in der Öffentlichkeit. Wie sieht Ihr Leben heute aus?
Manchmal stressig, weil ich oft viel zu viel erledigen muss. Manchmal chillig, weil mein Organismus zur Ruhe kommen sollte. Mischformen kenne ich eigentlich nur beim Bergsteigen, auf Hochtouren oder Skitouren und beim Yoga! Dann ist eine Balance aus Anstrengung und Genuss in Körper und Geist am besten spürbar.
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War der Rückzug aus dem Rampenlicht ein bewusster Entscheid?
Ich glaube schon! Es ist mir wichtig, abzuwägen, was mich stärkt, wer mich stärkt und wofür ich meine Energie aufwende. Manchmal drückt jedoch das «Ich möchte es allen recht machen»-Syndrom durch. Noch immer bin ich auf der Suche nach dem goldenen Mittelmass.
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Worin könnte das bestehen?
Im Wohlfühlen in meiner Familie und meinem Freundeskreis. Darin, Zeit für mich zu haben, das Alleinsein bewusst geniessen zu können und mich ab und zu an einer Veranstaltung sehen zu lassen oder eine Einladung zum Golfen anzunehmen. Das Rampenlicht ist wohl in meinem Fall nicht der richtige Ort. Wenn ich aber auf der Strasse oder auf Bergtouren erkannt werde, sind es herzige Begegnungen, und dann stören mich auch Selfie-Aufnahmen keineswegs.
«Beim Yoga ist Anstrengung und Genuss am besten spürbar»
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Sie engagieren sich seit 25 Jahren als Präsidentin der Stiftung Folsäure Schweiz. Wie sehr beansprucht Sie diese Aufgabe?
Die Aufklärungsarbeit zum Lebensvitamin Folsäure ist einiges anspruchsvoller, als gut trainiert und fokussiert eine Rennstrecke runterzudüsen. Die Herausforderungen sind zwar vergleichbar, weil jeder Tag eine neue Strategie erfordert. Wenn ich zurückschaue an den Anfang unserer Präventionskampagne, dann sind die Anliegen immer noch von immenser Wichtigkeit, nämlich die Folsäure-Lücke in der Schweiz massgeblich zu schliessen und die Wichtigkeit des Vitamins B9 vor allem beim Kinderwunsch an die Frau und an den Mann zu bringen. Das Ziel war immer klar – weniger Babys mit Geburtsfehlern dank frühzeitiger Prophylaxe mit Folsäure.
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Was war Ihre Motivation, dieses Amt anzunehmen?
Die Motivation ist unsere Tochter Siri, die im Herbst 1991 mit einem offenen Rücken geboren wurde. Wir waren hilflos und verängstigt, was dies für das Leben unseres ersten Babys bedeutet. In meinem ganzen grossen Umfeld hat sich niemand mit dem Begriff Spina bifida ausgekannt. Erst wegen und eigentlich auch dank unserer kleinen Tochter wurde der Zusammenhang mit Folsäuremangel in der Schwangerschaft von den Medien aufgenommen und publik gemacht. So wurden wir als Familie und vor allem ich als Mutter und bekannte Persönlichkeit in der Schweiz zu Botschaftern der Folsäureprophylaxe. Deshalb wurde 2000 der Initiant und Gründer der Stiftung Folsäure Schweiz auf mich aufmerksam. Er hat mich ins Boot geholt, um die Bekanntheit dieser wichtigen Offensive zu pushen.
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Wie nah geht Ihnen dieses Thema in emotionaler Hinsicht?
Es war und ist immer noch ein Wechselbad der Gefühle. Auch wenn Siri und auch unsere zweite, fünf Jahre jüngere Tochter Noemi zu selbstbewussten, empathischen, eigenständigen Frauen heranwuchsen, sind da doch immer die Sorgen um die Entwicklung einer Spina bifida im Zusammenhang mit dem Älterwerden. Die Beeinträchtigungen sind bei allen Betroffenen unterschiedlich.

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Wie sieht dies bei Siri aus?
Unsere Tochter konnte nie einen Schritt ohne grössere Hilfsmittel schaffen. Nicht auf seinen Füssen stehen zu können, immer zu sitzen, mit skoliotischer Wirbelsäule und den verschiedenen Einschränkungen von Organen – das macht sorgenvoll. Siri jedoch war immer unser lebensfrohes Beispiel, dass Sorgen und Ängste den Alltag nicht leichter machen. Mein Engagement in der Aufklärungsarbeit hat mir viel Energie gegeben, weil ich wusste, dass durch unseren Einsatz viele Neuralrohrdefekte beim Ungeborenen verhindert werden können. Dank frühzeitiger Einnahme von Folsäure bei Kinderwunsch.
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Weshalb ist die Folsäure-Lücke ausgerechnet in der Schweiz so gross?
Ehrlich gesagt: Folsäure klingt ja nicht sehr appetitlich. Aber ich habe mich natürlich daran gewöhnt. Die Folate in unserer Nahrung werden über die Lebensmittel nur schwer aufgenommen. Das Vitamin B9 ist nicht hitzeresistent, wasserlöslich und lichtempfindlich. Alles, was gekocht, gebacken, gewaschen, gelagert wird, verliert relativ schnell an Folsäure. Deshalb ist eine Form der Nahrungsergänzung durch synthetische Folsäure in Vitaminpräparaten erforderlich, um den Grundhaushalt zu sichern. Nicht nur die Schweiz kennt diese Problematik, sondern weltweit wird in vielen Ländern versucht, die Folsäure-Lücke zu schliessen, um Geburtsfehler oder auch Herzerkrankungen und Alterungsprozesse zu reduzieren – und die Spermienqualität zu verbessern. Das Thema geht auch Männer an.
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Die effizienteste und einfachste Prävention gegen Geburtsfehler ist belegt und wird in über 80 Ländern praktiziert: die Anreicherung von Mehl mit dem Vitamin Folsäure. Weshalb hinkt die Schweiz hinterher?
Genau! In Studien von Ländern, die staatlich verordnet das Mehl anreichern, wird ein Rückgang von Neuralrohrdefekten und anderen Geburtsfehlern von über 50 Prozent verzeichnet.
«Jedes betroffene Kind hat das Recht auf gleiche Chancen»
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Gibt es verlässliche Einschätzungen, was eine gezielte Prävention in den vergangenen 25 Jahren hätte bewirken können?
«Was wäre, wenn» ist für mich, meine Familie und unsere Tochter nicht relevant. Viel entscheidender ist doch, dass jedes einzelne betroffene Kind eine Chance auf Gleichberechtigung erhält. Wie oft wird dieses Thema politisch aufgegriffen, es wird von Inklusion auf allen Ebenen, von behindertengerechtem Wohnen, Arbeiten und öffentlichem Verkehr gesprochen. Viele Versprechungen werden in unserer wohlhabenden Schweiz gemacht. Und ja, mit viel Eigeninitiative und gutem Willen lässt sich auch im Rollstuhl gut durchkommen.
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Was wünschen Sie sich?
Ein klares Zeichen des Bundesamts für Gesundheit würde mich freuen – vielleicht durch eine fakultative Anreicherung von Mehl. Und dass unsere 25-jährige Arbeit Früchte trägt und mein Feuer noch lange brennt; dass ich noch viele Projekte für Menschen mit Beeinträchtigung unterstützen darf und die Wertschätzung für unser Engagement als Stiftung Folsäure Schweiz nicht erlischt.
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Aber Hand aufs Herz. Vermissen Sie die Öffentlichkeit nicht doch ein wenig?
Es ist noch immer genügend davon übrig geblieben. Und überhaupt verstehe ich dieses Wort je länger, je weniger. Ich möchte nicht öffentlich sein. Ich möchte offen sein und bleiben, habe Aufgaben in unserer Gesellschaft. Es wäre mir viel zu anstrengend, wenn ich diese Art von Bekanntheit suchen müsste. Als Botschafterin, Präsidentin, Partnerin, Mama, Freundin und Kollegin sind die Aufgaben so vielfältig und schenken mir Freude und Anerkennung genug.
Das Interview wurde von Thomas Renggli geführt und erschien am 23.05.2025 in der Schweizer Illustrierte.
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