Vier Tonnen Spinat und ein Vitamin, ohne das nichts läuft

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Folsäure, eines von 13 Vitaminen, ist mehr als eines unter vielen. Entdeckt wurde das Lebensvitamin vor weniger als hundert Jahren in Indien von Dr. Lucy Wills.

Vitamine sind lebensnotwendige Nährstoffe, die unser Körper nicht selbst herstellen kann. Ohne sie würden wir nicht lange überleben. Entdeckt wurde das Vitamin Folsäure ziemlich spät, als vorletztes von 13 Vitaminen. In den Dreissigerjahren stellte die Engländerin Dr. Lucy Wills während ihres Studienaufenthalts in Bombay (heute Mumbai) fest, dass Hefe schwangeren Frauen bei Blutarmut hilft. Hefe, das weiss man heute, enthält besonders viel Folsäure. Trotz dieser Beobachtung dauerte es noch weitere zehn Jahre, bis das Vitamin genauer beschrieben wurde.

Vier Tonnen Spinat

Erst 1941 gelang es, Folsäure aus vier Tonnen Spinat zu isolieren. Der Name Folsäure stammt vom lateinischen Begriff «Folium», das Blatt. Ein Hinweis auf eine wichtige Folsäurequelle: Blattgemüse. Zum Beispiel Nüsslisalat, Spinat und Broccoli. Folsäure ist wasserlöslich und zählt zu den Vitaminen der B-Gruppe. Es ist auch als Vitamin B9 bekannt, oder eben Lebensvitamin. Dass Folsäure lebenswichtig ist, wollte Viktor Herbert am eigenen Leib erfahren. In den 60er-Jahren startete er in New York einen Selbstversuch: Er verzichtete ganz auf Lebensmittel, die Folsäure enthalten. Bereits nach vier Monaten stellte er fest, dass sich sein Blutbild verändert hatte. Blutarmut.

Im Körper ist Folsäure wichtig für die Zellteilung, die Bildung neuer Zellen und eben auch für die Blutbildung. Gemeinsam mit den Vitaminen B6 und B12 baut es Homocystein ab. Homocystein ist ein Stoff, der beim Abbau von Eiweiss gebildet wird und an der Entstehung verschiedener Krankheiten beteiligt ist. Besonders an Krankheiten, die erst im Alter auftreten. Gefährlich? Ja, denn zu viel Homocystein im Blut ist ein Risikofaktor für Demenz, Alzheimer, Herzinfarkte, Schlaganfälle, Thrombosen und Osteoporose. Auch unser Immunsystem ist auf Folsäure angewiesen. Und Babys brauchen das Vitamin schon vor ihrer Geburt, damit sie sich gesund entwickeln.

Nicht nur für Raucher und Schwangere

Seit den 70er-Jahren weiss man, dass Folsäure gerade zu Beginn einer Schwangerschaft wichtig ist. In dieser Zeit ist die Zellteilung besonders intensiv. In den ersten Wochen, wenn das Embryo gerade mal vier Millimeter gross ist, bildet sich das Neuralrohr am Rücken. Wenn sich dieses nicht richtig verschliesst, kommt das Kind mit einem offenen Rücken zur Welt. Deshalb sollten Frauen bereits drei Monate vor der Schwangerschaft die doppelte Tagesdosis Folsäure zu sich nehmen. Doch nicht nur für Schwangere und Babys ist das Vitamin lebenswichtig. Es gibt Medikamente, auch Antibabypillen, welche die Aufnahme und Wirkung von Vitaminen im Körper beeinträchtigen. Auch wer raucht oder übermässig Alkohol konsumiert, braucht zusätzliche Folsäure. Folsäure ist für die Gesundheit aller Menschen unentbehrlich, unabhängig von Alter und Geschlecht.

Unbemerkt, aber nicht ungefährlich

Folsäuremangel ist ein häufiger Vitaminmangel, bleibt jedoch oft unbemerkt. Wie jeder langfristige Vitaminmangel, kann er körperliche und psychische Störungen verursachen. Wer zu wenig Folsäure zu sich nimmt, erkennt die Symptome oft gar nicht. Schlaflosigkeit, Vergesslichkeit, Durchfall und Reizbarkeit sind mögliche Mangelerscheinungen. Das Vitamin Folsäure kommen in Lebensmittel vor und wird über die Nahrung aufgenommen. Doch oft reicht das nicht. Deshalb gibt es Folsäure auch in Tabletten, Kapseln und Brausetabletten. Und in angereicherten Nahrungsmitteln.

Folsäure übernimmt in unserem Körper lebenswichtige Funktionen und reduziert das Risiko für Fehlbildungen während der Schwangerschaft. Eine gute Folsäureversorgung kann Krankheiten vorbeugen und rettet Leben. Ja, Folsäure ist tatsächlich ein Lebensvitamin.

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